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Gemeinde Breuna
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Gemeinde Breuna

Kooperationsprojekt


Kooperationsprojekt des BSV Kassel´93 mit der Jugendpflege der Gemeinde Breuna

Im Laufe des Jahres 2001 besuchte der Jugendpfleger der Gemeinde Breuna regelmäßig mit ca. 6 Jugendlichen kontinuierlich das Training des Vereins.
Zu Beginn des Projekts brachte er jeweils andere Jugendliche aus seiner Jugendarbeit mit, die entweder einfach einmal eine ausgefallenere Sportart außerhalb des breit gefächerten Angebots der örtlichen Vereine ausprobieren wollten, oder bei denen eine Auffälligkeit vorlag, die den Versuch einer positiven Einflussnahme durch das Training begründete.
Da die Jugendlichen hier eine für sie ganz neue Art sportlichen, persönlichen Umgangs miteinander kennenlernten (jeder begrüßt jeden mit Handschlag, geht auf den anderen ein) nahmen Sie die Vereinssportler schnell als neue Bezugspersonen an.
In dieser Zeit wurden Toleranz und Verständnis der ernsthaft trainierenden Vereinssportler auf eine harte Probe gestellt.
So wurde schnell deutlich das maximal drei „neue“ an einem Trainingsabend gut zu integrieren sind.
Weshalb nach wenigen Wochen immer vier bis sechs Jugendliche mitgenommen wurden bei denen bereits klar war das sie langfristig, regelmäßig teilnehmen und die sich bereits selbständig beim Training orientieren konnten, um zusätzlich die ausreichende Zeit zu haben um sich um die drei „neuen“ angemessen kümmern zu können.
Jugendliche die nur mal so zum Spaß kommen wollten und bei denen keine Chance auf Kontinuität bestand, wurden abgelehnt weil sie meist demotivierend auf die Gruppe wirkten.
Von Seiten des Vereins wird das Kooperationsprojekt aus folgenden Gründen als Erfolg gewertet:
Aus der Gruppe haben sich nach der „Probierzeit“ sechs neue Anmeldungen für den Verein ergeben, von denen vier selbst organisiert am Training teilnehmen.
Durch die Jugendlichen des Kooperationsprojekts wurde das Training auch für andere Jugendliche interessanter, der Trainingsalltag belebte sich.
Das Ansehen des Vereins in der Öffentlichkeit und der Boxsport selbst erfuhren über die öffentliche Diskussion des sozialen Engagements eine Aufwertung.
Aus Sicht des Jugendpflegers hat sich das Projekt aus folgenden Gründen gelohnt:
Die Person des Jugendpflegers wird von Seiten seiner Klienten „respektvoller“ behandelt seit deren regelmäßiges Training bekannt ist und die Möglichkeit gemeinsamer Sparringserlebnisse besteht.
Die Zerstörungen in den Jugendräumen haben abgenommen da Raum für Aggressionen geschaffen wurde.
Durch das Training konnte eine noch engere Gruppenzugehörigkeit (Bindung) für mehrere sehr gefährdete Jugendliche zur Jugendarbeit aufgebaut werden.
Es konnten Jugendliche zu einem regelmäßigen Training motiviert werden, die in keinen örtlichen Verein hätten integriert werden können.
Die positiven Erfahrungen gegenseitiger Anteilnahme wirkten sich spürbar positiv auf den gegenseitigen Umgang in den Gruppen der Jugendarbeit allgemein aus.
Zur weiteren Verdeutlichung positiver Auswirkungen soll hier auf die Beispiele dreier Jugendlicher konkret eingegangen

P. 17 Jahre alt, nach der Wende aus Ostberlin nach einigen Umzügen mit seiner allein erziehenden Mutter und dem kleinen Bruder in Breuna gelandet.
Er hat in Berlin und Kassel negative Gewalterfahrungen (besonders mit „Ausländern“) gemacht.
In der Schule fällt er wiederholt wegen fremdenfeindliche, rassistische Äußerungen, Gewalt und egoistisches Verhalten auf.
Wegen rassistischen Verhaltens wird er eine Woche von der Schule suspendiert und erhält die Androhung des Verweises.
Im Gespräch stellt sich heraus das er eigentlich nur eine starke Gruppe, Freunde sucht.
Durch das Training besonders mit den „russischen“, türkischen Sparringspartnern hat er sein asoziales Verhalten nicht mehr nötig. Braucht seine alten (falschen) Freunde nicht mehr.
L. ist 19 Jahre alt und wegen Schlägereien unter anderem auch mit seinen Lehrern von der Real- und Hauptschule geflogen, hat mittlerweile die Sonderschule beendet und macht eine Ausbildung zum Maurer.
Er kann die Autorität Erwachsener nicht anerkennen.
In den letzten zwei Jahren hat er auch den Jugendpfleger zweimal tätlich angegriffen.
Bei einer erneuten Auseinandersetzung im Jugendraum mit Jugendlichen zu der der Jugendpfleger hinzu gerufen wird, kann dieser sich der Konfrontation „dank“ des regelmäßigen Trainings selbstbewusster stellen.
Die verbale Drohung mit Gewalt beantwortet er mit dem Angebot eines gemeinsamen Trainings incl. Sparringskampf.
Dieses Angebot wird von L. positiv begrüßt. Das geplante gemeinsame Training fällt dann allerdings leider doch aus, da er sich entzieht. Zu neuerlichen Auseinandersetzungen ist es seither nicht gekommen.

F. 15 Jahre alt, lebt zusammen mit seinen fünf Geschwistern bei der allein erziehenden Mutter. Zu seinem Vater hat er keinen Kontakt. Drei seiner Geschwister sind behindert, er selbst ist zu 80% geistig Behindert und hat grob und feinmotorische Defizite.
Besonders die Anteilnahme der Erwachsenen männlichen Sportler ist für ihn sehr wichtig, sie erlaubt ihm eine für ihn neue Auseinandersetzung mit „Männlichkeit“.
Auch wenn er wahrscheinlich nie einen Kampf bestreiten kann, wird er von allen akzeptiert, angenommen und bestmöglich gefördert.
Ihm macht es Spaß in seiner Freizeit in dieser Gruppe sportlich aktiv zu sein, und er freut sich auf das Training, ist regelmäßig da.
Eine Integration von F. in einen Verein vor Ort ist undenkbar.

Für mich als Jugendarbeiter stellt der Sport in diesem Verein nicht nur eine berufliche Bereicherung dar, er ist zu einem wichtigen Bestandteil meines Alltags geworden.